Konzept

Gemeinschaft

Grebinsrade e.V. sind eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, in der wir heute sowohl einen Wohnbereich vorhalten, der Wohnangebote verschiedener Konzeptionen umfasst, als auch einen Werkstattbereich mit sechs verschiedenen Arbeitsschwerpunkten.

In dieser Gemeinschaft leben wir das Prinzip des „heilsamen Milieus“, welches vom Gesichtspunkt der Ganzheitlichkeit aus eine Differenzierung der Bereiche Wohnen, Arbeiten und Freizeit innerhalb einer einzigen Institution propagiert.

Der Ansatz der Sozialraumorientierung ist hier erkennbar, jedoch wird dieser soziale Raum selbst von der Gemeinschaft erschaffen. Die Sozialraumorientierung nimmt einen besonderen Stellenwert in unserer Arbeit ein. Ziel ist es, die Bewohner dabei anzuleiten und zu unterstützen, Ressourcen zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, am Leben in der Gesellschaft selbstbestimmt Teil zu haben. Wichtig sind uns dabei die Orientierung am eigenen Willen der Menschen, Unterstützung von Eigeninitiative und Selbsthilfe und die Konzentration auf die Ressourcen des Menschen.

Geprägt von Autonomie und Selbstbestimmung, öffnet sich das Prinzip des „heilsamen Milieus“ dem Bedürfnis vieler Bewohner nach stärkerer Außenorientierung. Normalisierung im Rahmen einer Binnendifferenzierung der Angebote hat sich als nicht ausreichend erwiesen im Hinblick auf den Wunsch der Bewohner nach Selbstbestimmung und Teilhabe am gesamtgesellschaftlichen Leben.

„Die Daseinsberechtigung der Gemeinschaft besteht aber immer noch darin, dass sie den Seelenpflege-bedürftigen Erwachsenen mit einem sozialen Organismus umgibt, der es ihm erlaubt, zu existieren“. Und zwar in dem Sinne, dass durch eine klare und rhythmisch angelegte Struktur des Gemeinschaftslebens mit langfristigen Konstanten und wiederkehrenden Elementen das Leben insgesamt so durchschaubar gemacht wird, dass sich jeder Bewohner seinen Fähigkeiten gemäß sicher und frei in diesem Rahmen mit eigenen Handlungsmöglichkeiten als Mitgestalter bewegen kann. Jedoch geschieht dies graduell und ganz nach den individuellen Bedürfnissen des Einzelnen.

Diese Konzeption macht das Bestreben deutlich, durch qualifizierte Arbeit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie dem Gleichstellungsgebot unserer Verfassung Nachdruck zu verleihen. Dementsprechend sollen für Menschen mit und ohne Behinderung Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die gleichberechtigte Teilhabe bzw. Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Es sollen geeignete Maßnahmen getroffen werden, um Menschen mit Behinderungen einen angemessenen Lebensstandard und sozialen Schutz zu sichern, sodass sie als gleichberechtigte Partner in den verschiedenen Formen zwischenmenschlicher Beziehungen möglichst selbständig leben können.

Grundhaltung / Menschenbild

Nach anthroposophischem Verständnis unterscheidet sich der Mensch mit Behinderung grundsätzlich nicht von dem Menschen ohne Behinderung. Das anthroposophische Menschenbild geht von einer leib-seelisch-geistigen Ganzheitlichkeit aus. Symptome von Behinderungen werden nicht vordergründig als pathologisch verstanden. Die Zuschreibung des Behindert-Seins bezieht sich vielmehr auf das Recht des Betroffenen auf eine der eigenen Lebensrealität angemessenen Hilfeleistung, wobei bezüglich Art und Umfang der Hilfeleistung einzig der betroffene Mensch zu entscheiden hat.

Anthroposophisch orientierte Heilpädagogik und Sozialtherapie ist kein theoretisches Konstrukt, das den Vorgaben des Normalisierungs- und Integrationsgedanken folgt, sondern das die Vorgaben dieser Prinzipien als Selbstverständlich für die menschliche Existenz voraussetzt.

Sozialtherapie in diesem Sinne erkennt also dem erwachsenen Menschen mit einer Behinderung das Recht zur Selbstbestimmung zu, weil die Reife des unverletzten „Ich“ nach anthroposophischem Verständnis dies fordert. Der Mitarbeiter wechselt von der Rolle des Erziehers in die des Lebensbegleiters. Selbstverständlich wird in der anthroposophischen Anthropologie nie das Sein des behinderten Menschen als Person in Zweifel gezogen, und zwar unabhängig von Merkmalen wie Alter, Kommunikationsfähigkeit und Ich-Bewusstsein. Der Personenwert des Einzelnen steht in jedem Fall außer Zweifel.

Diese Einstellung impliziert  eine hohe Achtung vor der jeweiligen Individualität.

In einem zweiten Schritt folgt dann daraus, dass es sich bei einer Behinderung nicht um eine „Fehlleistung der Natur“ handelt, sondern um einen für diese Individualität zunächst durchaus sinnvollen Zustand.

Sozialtherapeutisches Handeln verfolgt nicht allein das Ziel einer vollständigen Rehabilitation im Sinne einer Heilung gleichsam von außen; vielmehr soll der erwachsene Mensch in die Lage versetzt werden, sich mit dem eigenen Schicksal auseinanderzusetzen und es sinnvoll zu gestalten.

So gesehen, hat jedes Leben „Sinn“, egal welchen Grad der Beeinträchtigung es aufweist.

 

Integration und Normalisierung wird als Individualisierung demzufolge so verstanden, dass nicht jedem das Gleiche, sondern das ihm Gemäße zukommen soll, respektive ein Umfeld geboten wird, das seine persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten möglichst optimal fördert.

Dieser Gedanke ist jedoch auch dem Normalisierungsprinzip nicht fremd in dem Sinne, dass es völlig normal ist, über eine unterschiedliche Bedürfnislage zu verfügen.

Das Normalisierungsprinzip propagiert bekanntlich nicht eine Anpassung des Menschen mit Behinderung an irgendeine Norm, sondern die Normalisierung der Lebensbedingungen.

Der anthroposophisch gefasste Gedanke der Individualisierung geht jedoch noch einen Schritt weiter, wenn er die Erscheinungsformen unserer modernen Gesellschaft als zumindest fragwürdig beschreibt.

Gefordert ist demzufolge nicht eine einseitige Anpassungsleistung des Menschen mit Behinderung an vorgeblich normale Bedingungen, sondern die Anpassung der Umwelt an dessen spezielle Bedürfnislage.

Hieraus leiten wir unseren Ansatz ab, personenkreisorientierte Wohn- und Arbeitsangebote in Grebinsrade zu schaffen, die auf die Bedürfnisse der hier lebenden Bewohnerinnen und Bewohner abgestimmt sind. Unser Auftrag dabei ist es, dem einzelnen Menschen die von ihm gewählte und gewünschte Lebensführung zu ermöglichen.

 

Ursprüngliche Vorlage: Gesamtkonzeption Grebinsrade, 17.09.2014
Überarbeitung für Internetseite: Klaus Peters, 19.07.2018